Thrillerkolumne

Thriller ohne Leserstrahlen ist wie Spenser ohne Boston, Behr ohne Indianapolis, Reacher ohne Army, Rain ohne Judo, Parker ohne Plan, Bolitar ohne Win, Forsythe ohne Whisky, McGee ohne Florida, Hank ohne Baseball, Duffy ohne Beemer...

Kronos, King und Kennedy (5/5)

Stephen King, 11/22/63 (2011)

Was wäre gewesen, wenn John F. Kennedy am 22. November 1963 nicht ermordet worden wäre? Dies ist eine der Fragen, von denen Stephen Kings Zeitreiseroman 11/22/63 lebt. Dazu kommen die für Zeitreisegeschichten üblichen Vermutungen über die Konsequenzen von Veränderungen in der Vergangenheit. Kann man den Lauf der Geschichte beeinflussen? Wie wirken sich Eingriffe in die Geschehnisse der Vergangenheit aus? Und warum sollten alle Vergangenheitstouristen unbedingt den Schmetterlingseffekt im Hinterkopf behalten?

Der Roman beginnt im hier und heute. Der Lehrer Jake Epping ist mit seinem Leben nicht wirklich zufrieden. Als Al Templeton, der Inhaber eines alten Diners, eines Tages Jake in das Geheimnis eines unglaublichen Phänomens in dessen Vorratskammer einweiht, ändert sich für Jake alles. Fortan spielen erst Al und Jake mit den Möglichkeiten, die ihnen eine wundersame Verbindung zur Vergangenheit bietet, herum. Sie retten Familien vor mörderischen Vätern und Mädchen vor Jagdunfällen.

Kings Zeitreise basiert auf einer Art Blase, in der die beiden unterschiedlichen Zeiten, 2011 und 1958 miteinander verbunden sind. Nachdem Al bereits verstanden hat, wie man die Gegenwart manipulieren kann (und wo man konkurrenzlos billig Burgerfleisch besorgen kann), überzeugt er Jake, zu einer weit größeren Mission aufzubrechen. Präsident Kennedy soll vor seinem Attentäter Oswald gerettet und der schwarze Tag von Dallas revidiert werden: „Get rid of one wretched waif, buddy, and you could save millions of lives.“

Leider führt der Tunnel in die Vergangenheit immer nur zu einem spezifischen Datum und so muss Jake, der in der Vergangenheit zu George Amberson wird, fast fünf Jahre seine Mission vorbereiten. Al sei Dank kann er dabei nicht nur auf minutiöse Unterlagen zum Leben Lee Oswalds zurückgreifen, sondern auch auf das ein oder andere Sportresultat. Mit Wetten lässt sich bequem Geld verdienen. Das wusste auch schon Marty McFly. Dass man jedoch nach zu auffälligen Wettgewinnen Ärger mit der Mafia bekommt, musste dieser nicht erfahren.

King hat einen guten Zeitreiseroman geschrieben. An vielen Stellen fließt Nostalgie nach den 50er und 60er Jahren aus den Seiten. Fast alles war anders, vieles besser, manches schlimmer (der von Giftefeu gesäumte Pfad zum Brett über dem Fluß). Die Geschichte ist klar strukturiert, das Ende (sonst nicht Kings Stärke) erstaunlich gut. Es gibt leider nur wenige Überraschungen, was der Spannung aber keinen Abbruch tut. Neben dem Oberschurken Oswald tummeln sich noch andere böse Gestalten und Albträume durch das Land des Gewesenen. Dazu kommt ein erstaunlich trockener und böser Humor, der einem über die ein oder andere Länge hinweghilft.

Zeit ist zentral; auch was die Länge des Buches betrifft. Mit Seiten hat King noch nie gespart. 11/22/63 ist trotzdem ein schnell zu verschlingendes, spannendes und intelligentes Buch. Für Freunde der gepflegten Zeitreise ist Jake Eppings Abenteuer ein Genuss – nicht nur in der Urlaubszeit.

P.S.: Hintergrundinfos zum Verreisen entlang des Zeitstrahls bietet übrigens: Blask u. Windhorst, Zeitreisen, 2009.

  • Plot: Klar und gut (4/5)
  • Action: Einziger Schwachpunkt (2/5)
  • Spannung: Wie die Zeit vergeht! (5/5)
  • Charaktere: Epping rettet JFK vor LHO (5/5)
  • Humor: Zeit zu lachen (5/5)
  • PASCH: (5/5)
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Stephen King, 11/22/63.
Format: Kindle Edition
Dateigröße: 1280 KB
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 866 Seiten
ISBN-Quelle für Seitenzahl: B0064I1KGA
Verlag: Hodder (5. Juli 2012)
ASIN: B005LCYR7Y


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