Thrillerkolumne

Thriller ohne Leserstrahlen ist wie Spenser ohne Boston, Behr ohne Indianapolis, Reacher ohne Army, Rain ohne Judo, Parker ohne Plan, Bolitar ohne Win, Forsythe ohne Whisky, McGee ohne Florida, Hank ohne Baseball, Duffy ohne Beemer...

EISLER, Graveyard of Memories (4/5) LESEN

FRIEDHOF DER KILLERTIERE

In Barry Eislers Graveyard of Memories erfahren wir alles über die Ursprünge der schrulligen Spleens, die John Rain in den bisherigen Romanen offenbart und bis ins Neurotische weiterkultiviert. Aber der Reihe nach.

Es ist 1972. Eben aus dem Krieg in Vietnam zurück landet John Rain in der Knochenmühle der Tokioter Yakuza. Der 19-jährige Rain ist Bote für einen den CIA-Agenten McGraw, der japanische Politiker im Auftrag amerikanischer Unternehmen schmiert. Kurz nach einer Geldübergabe geht etwas schief. Rain ist zwar genauso tödlich, wie wir ihn kennen aber noch längst nicht so beherrscht. Statt zu deeskalieren, brechen Schädelbasen. Rain gerät ins Fadenkreuz der japanischen Mafia und der CIA. Was tut er in dieser ungemütlichen Situation? Richtig, er wird zu dem, der er ist.

Doch zunächst geht es nicht lautlos zu. Rain ist impulsiv und enthauptet mit viel Glück einen der Mafiaclans, die ihm nach dem Leben trachten. Seine angeborene Schläue ergänzt der junge Profikiller schnell mit gut gelernten Lektionen aus dem Leben eines Gejagten. Hier sind bereits alle Facetten des späteren Rains angelegt, wie etwa:

  • Es wie einen Unfall aussehen lassen
  • In andere Identitäten schlüpfen
  • Niemandem trauen, niemandem
  • Kosten-Nutzen nüchtern abwägen
  • Keine Frauen, keine Kinder, keine Unbeteiligten
  • Ewig vorher am Treffpunkt sein
  • Whisky- und Jazz-Liebe

Rain, der zu diesem Zeitpunkt noch mit einem leicht wiedererkennbaren Motorrad, durch die Straßenschluchten Tokios ballert, entdeckt schon früh die Bestie in sich. Die ersten Versuche, diese Bestie zu kontrollieren, gelingen ihm noch nicht richtig. Andererseits zeigt er auch viel Herz. Rain verliebt sich und wird zurückgeliebt.



Barry Eisler lässt den alten Rain die Geschichte des jungen erzählen. Damit hat er einen guten Kniff gefunden, die Fehler seines jungen Ichs zu beurteilen und zu entschuldigen. Das wichtigste aber ist, dass Rain endlich ein klitzewenig menschlicher wirkt als in den letzten Romanen. Anstatt des absoluten Supermanns haben wir hier einen Supermann, ja, der aber noch immer etwas dazulernen kann. Damit hat Rain auch ein großes Tor geschaffen, um weitere Abenteuer des Superkillers, die in der Zwischenzeit zwischen Graveyard of Memories und Rain Fall liegen.

Besonders gut gelungen ist Eisler die Liebesgeschichte. Statt der Göttin Delilah kannte Rain in seinem Leben nämlich auch menschliche Frauen. Diese hier heißt Sayaka. Sie liebt Jazz, hat Träume und sitzt im Rollstuhl. Obwohl sie nur am Rande mit dem Rest der Storyline in Berührung kommt, hat sich ihre Integration gelohnt.

Graveyard of Memories ist deutlich besser als die letzten Werke Eislers (inklusive der unsäglichen, unsäglichen Traven-Reihe). Die Idee, Rain beim Wachsen zuzuschauen, ist gelungen und wird in den kommenden Jahren noch für weitere spannende Abenteuer des Japano-Amerikaners gut sein.


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  • Plot: 4/5 (manchmal zu vorhersehbar)
  • Action: 5/5 (nur gut)
  • Spannung: 4/5 (teilweise dramatisch)
  • Charaktere: 3/5 (oft durchhängend)
  • Humor: 3/5 (hier und dort groß)
  • PASCH: 4/5

Barry Eisler, Graveyard of Memories, 2014